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Postkolonialismus

Was ist Postkolonialismus?

Mit dem Begriff Kolonialismus können sehr viele etwas anfangen. Seit dem 15. und bis zum 20. Jahrhundert haben einige Staaten das Land und die ansässige Bevölkerung in einem anderen Territorium in Besitz genommen und sich verfügbar gemacht. Sie haben zum Beispiel Rohstoffe, Menschen, Wissen und Land erobert und für sich beansprucht. Dies wurde begleitet von der Auffassung der Kolonialisten, selbst „zivilisiert“ und daher überlegen und dem entsprechen wertvoller zu sein als die „Naturvölker“ (in Abgrenzung zur Zivilisation), die sie „erobert“ und versklavt haben. Die Ansässigen hingegen wurden oftmals nicht als Menschen mit gleichem Recht, Verstand und Wert betrachtet, sondern mehr als exotische Wesen, die wie Tiere domestiziert werden konnten. Im Laufe der Zeit haben sich viele Kolonialisten zum Ziel gesetzt, ihre Werte, Ästhetik, Bürokratie, Weltverständnis, Religion und so weiter der lokalen Gesellschaft anzueignen.

Im 20. Jahrhundert kam es schließlich für einen Großteil der betroffenen Gebiete zur Dekolonialisierung, zur weitgehenden politischen Unabhängigkeit der Kolonialstaaten. Postkolonialismus wird ab diesem Zeitpunkt von einigen im Fachdiskurs für die Zeit danach verwendet. Hier nun gibt es verschiedene Perspektiven auf Geschichte. Kritiker des Begriffs mahnen an, dass er einen „endgültigen Abschluss einer historischen Epoche“ suggeriere, „so als wäre der Kolonialismus und seine Konsequenzen definitiv vorbei“. Dem entgegen stehet die Beobachtung, dass erst jetzt Konsequenzen und soziale Prozesse in Gang gesetzt wurden (und bis heute werden) wie etwa die Suche nach alternativen kulturellen Wurzeln der Kolonialisierten: die Suche und Konstruktion einer Geschichte, Entstehungsmythen, Traditionen, Werten, Religionen – kurzum Identitäten, die ohne Kontakt oder Beeinflussung durch die Kolonialisten funktioniert. Dies ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie politisch die Herstellung von Identität oder Sinn ist.

Im Falle des Postkolonialismus kann die Herstellung einer alternativen Identität als ein Befreiungsschlag gegen die Hegemonie, die Vorherrschaft „fremder Herrscher“ verstanden werden. Wenn ich meine Geschichte auch ohne meinen Unterdrücker erzählen kann, bin ich in meiner Identität, in dem was, wer oder wie ich bin, ein Stückchen unabhängiger, freier.

Stuart Hall (2013): Wann gab es das `Postkoloniale´?: Denken an der Grenze, in: Conrad et al (Hrgs.): „Jenseits des Eurozentrismus“, Frankfurt, campus.

Wahrnehmung und Wissen

Wie wird aus Wahrnehmung Wissen?

Wir haben in einem unserer Diversity-Seminare die Teilnehmer gefragt: „Woher wisst ihr eigentlich, was ihr wisst?“. Die Antworten kamen schnell: von den Eltern, aus dem Umfeld, aus der Schule oder dem Studium, aus den Medien und so weiter. Schließlich kam der Vorschlag: „Ich weiß was ich weiß aus eigenen Erfahrungen. Beispielsweise durch ausprobieren, üben oder reisen.“ Es stellte sich heraus, dass unsere Teilnehmer diesem Wissen am allermeisten Vertrauen schenkten, schließlich handelte es sich ja um Dinge, die „am eigenen Leib” erlebt wurden – welchen besseren Beweis könnte man erwarten?

Aber wie kommt dieses Wissen „aus eigenen Erfahrungen“ in unseren Kopf? Mit unseren fünf Sinnen, resümierte ein Teilnehmer. Wir hören und sehen Dinge, wir schmecken und riechen sie und wir können mit unserer Haut auch fühlen, welche Temperatur oder Beschaffenheit sie haben. Aber damit nicht genug. Wenn diese Informationen erstmal in unserem Gehirn angekommen sind, dann denken wir darüber nach. Wir interpretieren das Wahrgenommene und kommen zu einem Ergebnis.

Und? Sind wir die kreativen Schöpfer und Erfinder dieses Ergebnisses? Naja, eigentlich ja nicht, räumte eine junge Frau ein. Eigentlich vergleichen wir es mit dem, was wir schon kennen. Wenn ich zuerst einen Apfel kenne und danach eine Mango esse, dann werde ich die Mango damit vergleichen und sie kommt mir recht groß vor und irgendwie klebrig und schwierig zu essen mit ihrer Schale und dem großen Kern. Wenn der Apfel mein Proto-Obst ist, schneidet die Mango schlecht ab, weil sie weniger „apfelig“ ist. Dass die Mango ein schlechtes Obst ist, wenn ein gutes Obst als ein Apfel definiert ist, stimmt.

Wenn ich zuerst die Mango kenne und danach den Apfel probiere, dann kommt mir der Apfel fast schon sauer und unglaublich hart und klein vor. Mit der Mango als Zielscheibe meiner Orientierung trifft der Apfel nicht gerade ins Schwarze. Dass ein Apfel ein schlechtes Obst ist, wenn ein gutes Obst die Mango ist, stimmt ebenfalls. Das nennt die Linguistik die Semantik der Prototypen. Wir kommen zu unserem Ergebnis im Vergleich zu dem, was wir schon vorher kennen oder was uns so beigebracht wurde.

Jetzt kommt der Clou: Nicht erst unsere Interpretation, sondern bereits unsere Wahrnehmung, ja sogar unsere fünf Sinne sind kulturell geprägt. Nicht einmal die eigene Nase riecht objektiv.  Es gibt immer eine Vorgeschichte, einen Fokus, eine Einschränkung, wenn wir mit unserem Paket Menschlichkeit in der weiten Welt herumlaufen.

Wir wissen was wir wissen, weil wir (1) etwas mit unseren bereits geschulten Sinnen wahrnehmen und (2) interpretieren auf Basis dessen was wir bereits einmal bewertet haben. Verändern wir ein Parameter dieser Gleichung, verändern wir das gesamte Wissen.