Worüber reden Feminist*innen heute?

Nach dem wir mit KuGe Kultur und Gestalt im Januar beim Feministischen Barcamp Mannheim waren, möchte ich mit etwas zeitlichem Abstand nochmal die wichtigsten Ergebnisse aus unserer Session teilen. Wir haben unser Angebot in der ersten Session-Runde gegen 12 Uhr durchgeführt. Die Frage, mit der wir gestartet sind, war: „Feminismus 3.0: Was wollen Feminist*innen heute?“ Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass unser Workshop ziemlich voll war, sodass wir so viele Meinungen, Impulse und Standpunkte zusammentragen konnten. Nach einer kurzen Zusammenfassung, was im Feminismus bisher zentrale Forderungen waren und einem kurzen Überblick der Rechtsgeschichte der Gleichstellung aller Geschlechter (ohne Gewähr auf Vollständigkeit) sind die Teilnehmer*innen zu Wort gekommen. Wir haben in gemeinsam zusammengetragen, was den Anwesenden zum Thema Feminismus wichtig ist.

Hier ist eine Liste der Punkte, die genannt wurden:

  • Medien, nicht Gesetze bestimmen unser Denken (Schönheitsideale, Femnistische Pornographie)
  • Feminismus: Freiheit, sich von gesellschaftlichen Rollenbildern frei zu machen (gilt für Männer, Frauen, Divers)
  • Schluss mit Geschlechterstereotypen
  • Gleichberechtigung: sozial, in der politische Teilhabe, in der Öffentlichkeit, sexuell
  • Empowerment: Sich von Rollenerwartungen nicht einschränken lassen
  • Selbstbestimmung
  • Frauen-Vorbilder positiv nutzen: Verbinden statt Abgrenzen
  • Frauen sollen kein Stück vom Kuchen, sondern einen eigenen Kuchen bekommen
  • Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen bekämpfen
  • Genderfreie Erziehung
  • Wertschätzung von Care-Arbeit
  • Queer-Feminismus: Gender und dessen soziale Bedingung reflektieren
  • Gender und Klimawandel
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
  • Stereotypisierung von Studiengängen
  • Tatsächliche Gleichstellung, gleiche Rechte ohne Hindernisse und Einschränkungen
  • Existenz-sichernde Arbeit für Frauen
  • Sensibilisierung des Umfeldes für das Thema Gender
  • Gleiche Möglichkeiten für alle Menschen
  • Spagat zwischen gleiche Rechte und Chancen und intensiv berufstätig und Mutter sein dürfen
  • Parität in allen Gremien, die Entscheidungen treffen
  • Feminismus braucht Kapitalismus-Kritik
  • Leistungsgerechte Anerkennung bzw. Bezahlung
  • Vielfalt aller Geschlechter
  • Ich kann mich nach meinen Fähigkeiten entwickeln
  • Selbstbestimmung: Nicht geschlechter-konform sein müssen
  • Gender ist ein soziales Konstrukt
  • Förderung von Familien anstatt Ehemodellen
Was mir aufgefallen ist, war die Bandbreite, wie die Beitragenden Gender oder Frau* sein für sich selbst definiert und beansprucht haben. Wie es die Bundeszentrale für politische Bildung gut auf den Punkt bringt, ließ sich auch in unserer Runde feststellen, dass wir Differenz- und Gleichheits-Feminist*innen dabei hatten. Während manche die Differenz zwischen Mann und Frau betonten und eine Aufwertung und Gleichstellung von weiblichen Personen einforderten (Kein Stück vom Kuchen, sondern ein eigener Kuchen), vertraten andere die Position, dass eine binäre Ordnung von Geschlechtern (Mann/Frau) aufgelöst werden und alle Personen gleichermaßen als Menschen betrachtet werden sollten. Was die Forderungen des Feminismus betrifft, so lassen sie sich in meinen Augen doch immer wieder mit ein paar zentralen Punkte zusammen fassen, die in ihrer konkreten Realisierung ein weites Feld bearbeiten müssen:

Freiheit, Gleichberechtigung und Respekt.

Für alle.

Bildquelle: http://traitspourtraits.tumblr.com/post/132756165064

Gender: Perspektiven, Spannungsfeld und Freiheit

Gender eröffnet Perspektiven.

Die Geschlechtsforschung fordert zu mehr Bewusstheit auf. Sie tut nicht nur das, die Auseinandersetzung mit „Gender“ ermöglicht und fördert auch eine Bewusstheitserweiterung auf vielen gesellschaftlichen Ebenen. Gender ist

für das Individuum genauso, wie für spezifische Gruppenkontexte auf persönlicher, beruflicher, psychologischer, pädagogischer und politischer Ebene relevant.

 

Gender ist allumfassend.

Ein Aspekt des psychologisch reflektierten Blicks zur Geschlechtsforschung ist, dass die Gender Thematik kollektiv verleugnet, abgespalten, ignoriert oder aus dem Bewusstsein weggeschnitten worden ist und teilweise wird dieser Umgang mit dem Fremden noch heute so praktiziert.

ZB.: wenn an Neugeborenen, die ohne eindeutige weiblichen oder männlichen Geschlechtszugehörig geboren sind, entsprechende chirurgische oder medikamentöse Eingriffe vorgenommen werden, um sie einer ausschließlich nur weiblichen oder nur männlichen Geschlechtlichkeit zuzuweisen.

 

Diversity ist Normalität.

Vielfalt ist natürlich. Für Gender gilt dieser Grundsatz auch.

Biologische Vielfalt gelten lassen

Aus archaische (aus ältester Herkunft) kulturellen Gesellschaftsformen ist der natürliche Umgang mit vielfältigen Phänomenen von sichtbaren, biologischen Geschlechtsmerkmalen benannt. Hier wurde das Anderssein verehrt und gewertschätzt: in der Antike kamen dem Zwitter besondere Privilegien zu, in Indien wird der Zwitter als Gottheit verehrt.

 

Gesellschaftliche Vielfalt beobachten

Für Indianer ist es natürlich von fünf verschiedenen Geschlechtern auszugehen. Sie sagen es gibt: den Mann, die Frau, den weiblichen Mann, die männliche Frau, den Zwitter. Auf Google gibt es aktuell insgesamt 60 Eintragungen zur geschlechtlichen Identität. Die Gesellschaft ist reif für eine Gender Bewusstseinsrevolution. Unser Zeitgeist ist reif für neue Sichtweisen.

Heute steht Bildung und Wissen deutlicher im gesellschaftlichen Bewusstseinsraum. Auch die unterschiedlichen Wirklichkeiten sind verfügbarer und auf Knopfdruck sofort zugänglich und lassen sich nicht einfach wegwischen respektive ignorieren.

Wird einerseits im vorherrschenden Zeitgeist Egomanie beklagt, so ist andererseits gerade dieses, sich selbst genauer und bewusster wahrnehmen, ein Auftakt für die jetzt bereichernde Offenheit im Umgang mit Gender.

Es braucht Interesse und Neugierde aller Beteiligten, um auszuhalten, dass es nicht ausschließliche Polaritäten gibt, sondern die natürliche Vielfalt.

Mit Gender ist eine psychologische Bewusstheitsevolution eingeleitet worden, die Wahrnehmungen und bewusste Ansprüche an geschlechtsspezifischen Aspekten neu sortiert respektive zusammenfügt. – Unsere Gesellschaft ist reif für neue Sichtweisen.

 

Politische Vielfalt einfordern

Sprachlich hat sich der Gesetzgeber auf: Mann, Frau und Person festgelegt.2017 wurde das gesellschaftliche Recht erstritten, sich selbst in der Geschlechtsangabe als divers zu bekennen. Seit 2019 ist „divers“ offiziell und somit gibt es jetzt die Geschlechtsoptionen: männlich (m), weiblich (w) und divers(d).

Wir können Menschen in Würde begegnen? Wir können uns untereinander mit Identitätsangeboten inspirieren? Diese Fragen bearbeiten wir in unseren Gender Seminaren.

 

Gender und Freiheit

Gender und Freiheit

Die Ausgrenzung und Diskriminierung von Nicht-Heterosexuellen nennt Judith Butler auch „die symbolische Abwehr besorgniserregender Möglichkeiten“. Diese Möglichkeit macht manchen Angst: dass es auch anders sein könnte als die Norm, das was für viele als „Normal“ gilt.

Das macht Sinn. Und zwar weil es Sinn und Einfachheit bedroht. Aus all den Möglichkeiten eine Variante rauszusuchen und zu sagen: Ein Mann + Eine Frau = ein „normales“ Paar ist eine Form von Sinn-Konstruktion. Ich finde Sinn, ein für mich brauchbares Muster, in einer Vielfalt von Optionen, die im Grunde alles sein könnten. Ich begrenze die Komplexität „was es sein könnte“ auf etwas, das so groß ist, dass ich es verstehe und sage es ist das „was es ist“. Das Ergebnis ist eine Setzung, die für alle Konsequenzen hat.

Es eröffnet einen Raum, in dem ein „Recht auf Dasein, auf den Status eines menschlichen Subjekts“ manchen gegeben wird und andere gleichzeitig von diesem Recht ausgeschlossen werden. Diese regulierende Kraft von „das ist normal“ macht vor allem eins deutlich: Die Macht, die Normen über uns Menschen hat – wie wir Menschen diese Macht am Leben halten, in dem wir uns immer wieder an diese Normen halten, sie zitieren und uns gegenseitig dazu auffordern, sie zu berücksichtigen.

Ein Tag der Freude ist der Tag, an dem wir dieses Muster durchbrechen, indem wir Sinn infrage stellen und Alternativen, Möglichkeiten, Potenziale erkennen. Ein Hoch auf die Gabe der Reflektion! Ein Hoch auf die Gegenmacht zur Macht der normativen Hegemonie. Hanna Meißner (2012): Butler, S. 25-28.

Postkolonialismus

Was ist Postkolonialismus?

Mit dem Begriff Kolonialismus können sehr viele etwas anfangen. Seit dem 15. und bis zum 20. Jahrhundert haben einige Staaten das Land und die ansässige Bevölkerung in einem anderen Territorium in Besitz genommen und sich verfügbar gemacht. Sie haben zum Beispiel Rohstoffe, Menschen, Wissen und Land erobert und für sich beansprucht. Dies wurde begleitet von der Auffassung der Kolonialisten, selbst „zivilisiert“ und daher überlegen und dem entsprechen wertvoller zu sein als die „Naturvölker“ (in Abgrenzung zur Zivilisation), die sie „erobert“ und versklavt haben. Die Ansässigen hingegen wurden oftmals nicht als Menschen mit gleichem Recht, Verstand und Wert betrachtet, sondern mehr als exotische Wesen, die wie Tiere domestiziert werden konnten. Im Laufe der Zeit haben sich viele Kolonialisten zum Ziel gesetzt, ihre Werte, Ästhetik, Bürokratie, Weltverständnis, Religion und so weiter der lokalen Gesellschaft anzueignen.

Im 20. Jahrhundert kam es schließlich für einen Großteil der betroffenen Gebiete zur Dekolonialisierung, zur weitgehenden politischen Unabhängigkeit der Kolonialstaaten. Postkolonialismus wird ab diesem Zeitpunkt von einigen im Fachdiskurs für die Zeit danach verwendet. Hier nun gibt es verschiedene Perspektiven auf Geschichte. Kritiker des Begriffs mahnen an, dass er einen „endgültigen Abschluss einer historischen Epoche“ suggeriere, „so als wäre der Kolonialismus und seine Konsequenzen definitiv vorbei“. Dem entgegen stehet die Beobachtung, dass erst jetzt Konsequenzen und soziale Prozesse in Gang gesetzt wurden (und bis heute werden) wie etwa die Suche nach alternativen kulturellen Wurzeln der Kolonialisierten: die Suche und Konstruktion einer Geschichte, Entstehungsmythen, Traditionen, Werten, Religionen – kurzum Identitäten, die ohne Kontakt oder Beeinflussung durch die Kolonialisten funktioniert. Dies ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie politisch die Herstellung von Identität oder Sinn ist.

Im Falle des Postkolonialismus kann die Herstellung einer alternativen Identität als ein Befreiungsschlag gegen die Hegemonie, die Vorherrschaft „fremder Herrscher“ verstanden werden. Wenn ich meine Geschichte auch ohne meinen Unterdrücker erzählen kann, bin ich in meiner Identität, in dem was, wer oder wie ich bin, ein Stückchen unabhängiger, freier.

Stuart Hall (2013): Wann gab es das `Postkoloniale´?: Denken an der Grenze, in: Conrad et al (Hrgs.): „Jenseits des Eurozentrismus“, Frankfurt, campus.

Grenzregime

Was ist ein Grenzregime?

Eine Grenze teilt das eine vom anderen. Im Falle der Migrationsforschung können das beispielsweise nationalstaatliche Grenzen sein. Diese Grenze aufzustellen, sie mit einem Schlagbaum zu markieren, sie gegen ungebetene Gäste zu verteidigen und damit die bloße Existenz der Grenze erst sichtbar und erfahrbar zu machen, ist ein Vorgang, der von jemandem durchgeführt werden muss. Dieser jemand ist das Grenzregime. Es bestimmt den Ort der Grenze, ihre Durchlässigkeit und den Umgang mit der Grenzüberschreitung. In ihrem Beitrag „Migrationsforschung als Kritik“ bezeichnen Paul Mecheril et al dieses Regime als die „politischen, kulturellen und interaktiven Mechanismen der Regulation und Steuerung von Migration bzw. globalen Wanderungsprozessen“ (S.19).

Ein Grenzregime bestimmt also den Umgang mit Migration, mehr noch, ohne das Grenzregime, dass eine Grenze bestimmt, gäbe es gar keine Migration, da es keine Grenze gibt die überschritten werden könnte. Wer aber ist nun dieses Grenzregime? Ist es die Regierung? Oder sind es die Anwohner? Die Migrationsforschung gibt hierauf eine spannende Antwort: Das Grenzregime sind wir alle, in dem Moment, wo wir eine Grenze als gesetzt akzeptieren, und uns der Ordnung unterwerfen, die dadurch entsteht. Wenn ich sage „Mach die Tür zu, damit die Fliegen / die Kälte / die Blätter nicht reinkommen“, dann bin ich Ausführende eines Grenzregimes (im Kleinen). Ich bestimme dadurch, wo drinnen anfängt und wo draußen endet. Problematisch wird es nur, wenn nationale Grenzen ebenso abgeschlossen konstruiert werden, wie Häusergrenzen. Wenn hier das Grenzregime entschließt „Macht die Tür zu, damit XY nicht reinkommt oder Z nicht rauskommt“, wird ein sozialer Raum hergestellt, der Sicherheit gegen Freiheit eintauscht. Wir als Grenzregime dürfen uns fragen, wieviel wir wovon kaufen wollen und zu welchem Preis.

Frau sein?

Man wird nicht als Frau geboren

Man wird es. Simone de Beauvoire.

Selbiges könnte im Übrigens auch über Männer gesagt werden. Was die französische Philosophin und Feministin damit ausdrücken wollte, benannte ihre Kollegin, wie ich Judith Butler sicherlich bezeichnen kann, als das Überwinden des Zwangs und des Schicksals der Biologie (Butler, 1995). Die Idee dieser feministischen Theorie ist, dass es alles andere als „natürlich“ ist, eine Frau zu sein unter der Prämisse aller hinzugedachten und -gedichteten Attribute. Sie richtet sich als direkte Kritik an die Aristokratie der Naturwissenschaft, die seit der bürgerlichen Moderne scheinbar für einen Großteil der Gesellschaft wahrer ist als die anderen Wissenschaften.

Beauvoir und Butler stürzen die Biologie von ihrem Thron, indem sie auf die Naturalisierung von Diskriminierung, Ausgrenzung und Abwertung von Frauen auf Basis biologischer Argumentation hinweisen. Dass die „Natur der Frau“ für manche Tätigkeiten, Charaktereigenschaften oder Handlungsweisen geeigneter sei als für die Dinge, die in der „Natur des Mannes“ liegen, ist noch heute eine verbreitete Meinung. So liege es den Frauen, „familiär, fürsorglich, apolitisch [und] natürlich“ zu sein, während Männer hingegen „wettbewerbsorientiert, politisch [und] sozial gestalte[nd]“ seien (Villa 2012, 42). Es ist nicht unbedeutend, dass ausgerechnet die vermeintlichen Eigenschaften der Frauen mit Aufgabengebieten zusammenfallen, deren gesellschaftliche Wertschätzung geringer ausfällt, aus der simplen Tatsache heraus, dass sie nicht sichtbar werden. Die „Liebesdienste“ der Frauen, die zu einem großen Teil konstitutiv für die Reproduktion von Arbeitskraft sind (Kochen, Waschen, Putzen, Nachwuchs, Zuwendung, Pflege etc.) werden nicht als Leistung gewertet, sondern als die „Natur der Frau“. Es gibt kein symbolisches Kapital für die Arbeit, die nicht sichtbar wird, geschweige denn von finanziellem Kapital. Durch diese Arbeitsteilung entsteht eine gegenseitige Abhängigkeit von Männern und Frauen, die einerseits bezahlte Arbeitskraft und andererseits unbezahlte Reproduktion von Arbeitskraft im Tausch füreinander hergeben (müssen).

Es geht nicht darum, die Naturwissenschaften in ihrer Legitimation zu hinterfragen, sondern darum, ihre Grenzen und politischen Verstrickungen aufzuzeigen, wie sie jede Wissenschaft hat. Dass Männer und Frauen eine „unterschiedliche Natur“ hätten, war einmal eine bahnbrechende neue Erkenntnis. Aber wie es so schön heißt: Alles war einmal neu, bis es alt wurde.

 

Villa, Paula- Irene (2012): Feministische- und Geschlechtertheorien, in: Martha Kampshoff und Claudia Wiepke (Hrsg): „Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik“, Wiesbaden: Springer VS, 39-52.

Diversity

Die Herausforderung von Diversity

Diversity beschreibe ich jetzt mal als Gleichzeitigkeit. Etwas ist gleichzeitig da und gleichzeitig unterscheidet es sich dabei. Bei diesen Unterschieden sind zum einen die Diskriminierungs-Klassiker wie Geschlecht, Hautfarbe, Alter und körperliche Erscheinung zu finden. Oder das kann auch einfach ausgesprochen „anders“ aussehende Kleidung sein, die auf eine bestimmte Zugehörigkeit einer Person schließen lässt, wie etwa eine religiöse Gruppe, eine bestimmte Form von Lifestyle oder eine Gehaltsklasse. Ein Teil von Diversity ist also alles was wir sehen können und daraufhin anfangen zu deuten.

Zum anderen kann Diversity alles sein, was wir nicht sehen, aber dennoch wahrnehmen können. Beispielsweise Hierarchie-Unterschiede, Sprache, sexuelle Orientierung, Werte, Erfahrungen, Meinungen. Und um es ein bisschen auf die Spitze zu treiben: der Wohnort, die Lieblings-Kaffeesorte, die Wohlfühltemperatur. Das ist ja fast alles, wird der eine oder andere jetzt denken. Stimmt. Diversity ist nicht die Ausnahme, es ist der absolute Standard. Im Grunde gibt es keinen Raum ohne Diversity, einfach schon allein deshalb nicht, weil wir nicht die Star Wars Klon-Krieger sind, sondern eher ein Universum voller Einzelwesen, die sich in kleinen Horden organisieren.

Am liebsten ja mit Gleichgesinnten. Und Gleichaussehenden. Im gleichen Alter. Mit der gleichen Meinung und der gleichen sexuellen Orientierung. Natürlich auch Kaffeetrinker. Und ich sag mal so, wenn wir die gleiche Wohlfühltemperatur haben, ist es viel schöner im Büro. Also eigentlich wären wir am liebsten mit uns selbst zusammen, immer und überall. Die anderen sind ja eh komisch, oder? Erwischt?

Die Herausforderung mit der Diversity ist nicht, dass einer anders ist, denn alle sind in ihren Eigenarten gemeinsam mit Vielen auf diese Weise „anders“. Die Herausforderung von Diversity ist die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Formen von „Anders“ im selben Raum: das wir gleichzeitig im selben Büro, im selben Haus, im selben Land, ja sogar am selben Familientisch sitzen (ich darf an dieser Stelle kurz an Weihnachten erinnern) – und uns unterscheiden, während wir davon ausgehen, wir wären eine Horde von Gleichen.
Das Problem mit Diversity? Die Illusion von Gleichheit 👉 während einer Realität von Gleichzeitigkeit.

Und noch ein kleines Rätsel zum Schluss: Wenn ich anders bin als du, wer von uns beiden ist dann anders?